Saisonfinale – ein Tag des Absaufens

Seit über zwei Jahren warte ich nun am Chiemsee auf ideale Bedingungen für ein schönes Foto von mir beim Trapez segeln. Ich kenne auch bereits den passenden Sportfotografen und kann auch über die Wassersportschule Rosenheim ein Motorboot organisieren – für den Fotografen. Nur entweder ist kein Wind, oder ich muss selbst Kurs geben, oder…

Am 23. November habe ich in der Früh folgenden Anruf erhalten: „Du, es bläst schöner gleichmäßiger Wind mit 3 Bft.“ Der Wetterbericht hatte nur 6-8 Knoten in Böen prognostiziert. Also ab ins Auto, nach Felden, rein in den Trockenanzug, Segel setzen und das Rigg für 3 Bft. trimmen und los geht‘s.

Der See war zwar schon ohne Segelboote, aber ich war beruhigt, da an diesem Tag noch eine Motorbootprüfung stattfand und ich bei irgendwelchen Schwierigkeiten hier Hilfe erwarten konnte.

Alles Anders – schon beim Start
Doch wie so oft, war Alles ganz anders: schon beim Rausfahren aus dem Hafen Felden / Bernau Richtung Prien war der Wind kaum spürbar und stark drehend. Er kam von Südost, dann wieder aus Südwest und mein A-Cat lief mit diesem drehenden und fast achterlichen Wind gar nicht.

Hafen Bernau / Felden im Spätherbst Foto: Andreas Rossteuscher

Also bin ich abgebogen. Richtung Fraueninsel und der Föhn kam nun relativ gleichmäßig aus dem Achental mit 3-4 Bft. – also der perfekten Windstärke fürs Trapezsegeln im späten Herbst.

Windprognosen und Seen an den Alpen scheint schwierig zu sein
Am Simssee war zur gleichen Zeit gar kein Wind – einfach nur Windstille. Die Wetterberichte haben mit dem Alpenrand so ihre Schwierigkeiten. Regionale Effekte können scheinbar kaum simuliert werden und so sind die Angaben zur Windstärke meist recht schwammig. Die gesamte Segelsaison 2019 war von den Windprognosen eher sehr mäßig.

Der Wind an diesem Herbsttag frischte dann in den Böen etwas auf und ich musste schon mein ganzes Können aufbringen, um sicher und ohne Gefahr einer Kenterung zu segeln. An der Fraueninsel hat der Wind dann auf Osten gedreht und ich bin mit achterlichen Wind Richtung Prien gesegelt. Ich sollte ja kurz bei der Stippelwerft vorbei kommen.

Es ging an der Seekapelle zum heiligen Kreuz am Nordufer der Herreninsel vorbei und sehr plötzlich zog der A-Cat richtig los. Selbst mit gefiertem Segel wollte sich der Lee Schwimmer den Weg in die Tiefe suchen. Also raus ins Trapez und dann mal richtig laufen lassen. Die 4 Bft. haben sich etwas verstärkt auf bis zu 6 Bft. Das ist natürlich die absolute Grenze mit mein altes Gefährt. Ich habe noch einen alten sich nicht verjüngenden Alumasten und kann über das Cunningham, kaum eine Biegung in den Mast bringen.

Foto: Eckkard Michaelis freigegeben für www.fitbleibenmitsegeln.de

Wenn der Wind einmal so richtig bläst

Aber das war Alles bereits gleichgültig. Es galt nur noch das Unterschneiden abzufangen und mit leicht gefierten Segel sicher zu steuern. Einen Anleger an der Stippelwerft habe ich sehr schnell wieder verworfen. Die Bedingungen waren hier für einen Stopp zu unklar.

Das Segeln war jetzt superschnell. Das kalten Wasser mit der höheren Dichte liefert mehr Auftrieb im Vergleich zum Sommer und der A-Cat sauste prächtig. Im Trapez war ich nur wenige Zentimeter von der Wasseroberfläche entfernt und so haben mich die Wellen immer wieder geduscht. Ich war sehr froh über meine Neoprenhaube.

Da der Wind noch zulegte, war der Kurs klar: heim in den Hafen und zwar schnellstens. Also bin ich aufgekreuzt Richtung Felden. Aber bei soviel Wind ist das gar nicht so einfach. Der Wind drehte immer wieder um mehr als 40° und bei anliegender Strömung hüpfte der A-Cat über die Wellen, um dann – weil ich ja Höhe gewinnen wollte. Dann war ich durch den drehenden zu hoch am Wind und der A-Cat stand fast. Also wird das Kreuzen etwas aufwendiger werden.

Auch die Wenden waren schwierig, weil ich bei 6 Bft. die Segel nicht mehr richtig dicht ziehen konnte.

Der Konstrukteur Egner von Aicher&Egner meinte hierzu: etwas abfallen, schneller werden und dann die Wende fahren.
Das ist bei der hohen Welle und den drehenden Winden in Ufernähe gar nicht so einfach.

Einmal musste ich gar eine Halse fahren. Und dann hat der A-Cat so richtig beschleunigt.

Was war das?
Plötzlich ein sehr dumpfes Geräusch und dann ein zweites leiseres Geräusch. Es schien ein Ast oder Baustamm zu sein, evtl. auch Tang? Auf jeden Fall hatte der Gegenstand eine enorme Bremswirkung und nicht nur das…

Ich segelte weiter und der A-Cat begann sich immer mehr nach Achtern zu neigen. Also Gewichtsausgleich und trotzdem nach wenigen Sekunden noch mehr Neigung nach hinten. Und dann bin ich in Zeitlupe nach Achtern gekentert. Dabei ist der Lee Schwimmer einfach immer weiter abgesoffen.

Eine Kenterung im Spätherbst – die Horrorvorstellung

Also gleich die üblichen Abläufe einfädeln: Segel runter, dann Aufrichtleine bereit machen.
Schon das Segel zu bergen gestaltet sich schwierig. Es rutschte aus der Nut am Mast und bis ich mich versah verschwand es in den Tiefen des Chiemsees. „Soll der Wassergott Bedaium vom Chiemsee doch ruhig mein Segel haben, wenn er mich dafür in Ruhe lässt“ dachte ich laut.

Das Aufstellen misslang ebenso, weil der A-Cat gleich wieder auf die Seite mit dem vollgelaufenen Schwimmer drehte und zum Teil bereits wieder versank. Bis zu den Knien war ich bereits im Wasser.

Mit Geschick habe ich dann die Lage vom Cat stabilisieren können und hab den Horizont abgesucht. Ein Motorboot von der Fraueninsel ist beim Hafen in Prien Stock angelandet und hat mich nicht gesehen. Und am CYC war eine O-Jolle – aufgetakelt. Die werden mich doch sicher beobachten?

Aber nichts rührte sich. An der Stippelwerft wurden noch die Prüfungen im Motorbootfahren abgehalten. Also trieb ich weiter mit dem A-Cat Richtung Hafen Stock Prien. Inzwischen war der vollgelaufene Schwimmer schon mehr als einem Meter unter Wasser und mir wurde langsam kalt.

Die weiteren Planungen für das Anladen waren auch bereits klar: mit dem A-Cat an Land schwimmen, aufstellen, ans Ufer ziehen und dann nach Bernau trampen.

„Jetzt sind wir da“ schallte es aus Luv. Das Motorboot vom CYC kam mir zu Hilfe. Die Familie Fritz der Segelmacherei Fritz hat meine Kenterung gesehen und mich gerettet. Der erste Versuch den A-Cat aufzustellen misslang. Dann schwamm der A-Cat so einigermaßen und ich konnte die Rettungsleine an der Want festmachen.

Wir haben den A-Cat zum Seglerheim nach Prien gezogen. Als Gewichtsaus-gleich stand ich im Trapez. Das wäre ein Foto: ich im Trapez und ein Schwimmer auf Tauchstation.

Die Hilfsbereitschaft unter Seglern

Die Hilfsbereitschaft unter Seglern ist schon enorm. Vielen Dank nochmals an die Familie Fritz. Auch fürs Heimbringen mit dem Auto nach Bernau.

Schadensbilanz: der Schwertkasten ist innen aufgeplatzt und unten am Schwimmer gibt es einen kleinen Riss. So läuft beim Segeln sofort der Schwimmer voll und man hat keine Chance mehr den A-Cat aufrecht zu halten. Es muss also der Schwimmer oben geöffnet werden und neu laminiert werden. Zudem brauche ich ein neues Segel.

Erkenntnis: bei einem längeren Telefonat mit Christian Teicher von DCC wurde mir erläutert, dass es sehr anspruchsvoll ist, bei mehr als 5 Bft. einen A-Cat mit Alumasten zu segeln. Diese Thematik hat vor über 20 Jahren dazu geführt, dass eben beim A-Cat Masten aus Carbon zum Einsatz kommen. Die lassen sich auch besser Biegen und somit bei solchen Anforderungen besser trimmen und leichter segeln. Heute sind Carbon Masten – auch aus Gewichtsgründen weit verbreitet.

Das Besäufnis zum Saisonfinale hatte ich mir ganz anders vorgestellt: ein guter Brunello und anschließend noch ein „Milder“ aus der Brennerei Wild sollten es sein.

Kommentar von Johannes R.:
„Ein sehr lustiger, spektakulärer Text. Wolltest Du mal wieder mit der 
Lebensgefahr Bekanntschaft machen?“
Nein, ich bin halt einer schlechten Windprognose aufgesessen.
Ist das Segel wirklich weg? Ja, abgetaucht auf den Grund des Chiemsees, weil ich das Segel aufrollen wollte und dafür die erste Segellatte verstauen musste.
War das nirgends mehr angebunden? Nein
Ein paar Sachen erscheinen mir allerdings unplausibel: Windstärke sechs, aber dann Dreher um 40 Grad. Gibt’s das wirklich?
Ja, bei Föhn aus zwei Alpentälern. Der Wind aus dem Achental ist relativ nah am Boden. Der Südwind aus dem Priental fällt dann erst später nach unten und schiebt sich immer wieder in die „Düse“ zwischen Festland und Herreninsel. Diese Fallwinde sind halt böig und eben plötzlich drehend.
Auf Höhe vom CYC liegen die beiden Täler bei ca. 120° und 200° – also knapp 80° auseinander.
Die Windmassen vermischen sich aber bereits vorher leicht und bilden natürlich die gefährliche Rückströmung (mit Winddrehern bis zu 180°).

Und hast Du nie rausgefunden, wo Du dagegen gefahren bist?
Doch – gegen einen Baustamm oder Ast.
Antworten vom Autor