Humor: Das Märchen von der satanischen Färse

Das Märchen von der satanische Färse
Friedmann Bedürftig (gest. 2010)

Wie der Kaiser eine neue Stute bekam oder: ein kalbendes Pferd und die Folgen einer überhasteten Abreise

Zu der Zeit, als das Tünchen noch geholfen hat, kam eines Tages der Kaiser zu einem Roßtäuscher und sprach also: “Guter Mann ich brauche dringend einen Schimmel, damit ich in der Schlacht von meinen Leuten weithin gesehen werde.“

Der Angesprochene, ein Schlitzohr wie es im Buche steht und obendrein im Besitz eines magischen Pferdeapfels rief an diesem und hatte prompt einen guten Einfall. Zwar hatte er momentan eigentlich nur Rappen im Angebot, 
doch er wusste sich zu helfen und ließ die Magd den alten Käse holen der über und über mit eitel Schimmel bedeckt war: „ Majestät“ sprach er „Schimmligeres werdet Ihr nirgendwo bekommen und man wird es auch Nachts weithin sehen, 
ja sogar riechen.“ Der Kaiser war eigentlich ganz angetan, fand aber dass ich dich auf einem Käse schlecht reiten lasse.

Dem wiederum konnte der Händler nicht gut widersprechen, obschon er den Einwand etwas kleinkariert fand. Da aber entsannte er sich nach wiederholten Pferdeapfelstreicheln einer Orientalistin namens Annemarie, die zwar auch 
Mühe haben würde, einen Kaiser zu tragen aber wenigstens Schimmel hieß. Er ließ die Dame holen und sprach also: „Majestät wollen ja gegen die Sarazenen kämpfen. Da kann Euch die Annemarie gute Dienste tun, indem dass sie 
Euren Gegnern in der Muttersprache so viel vorflunkert, dass sich die Balken biegen. Außerdem trägt sie den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels, so dass ihr niemand ein Arg zutraut. Der Imperator erwog den Vorschlag mit 
Wohlgefallen und meinte auch, die Dame werde ihn schon so lange tragen, bis die Feinde hinreichend  hinters Licht geführt seien. Dann aber kam ihm doch Bedenken: „ Was“ fragt er, wenn es gar keine Balken auf dem Schlachtfeld hat?“ 

Kaiser sind schwierig fand der Roßtäuscher, ließ sich aber nicht entmutigen und nach intensiver Pferdeapfelbehandlung hat er dann aber auch das gewünschte Aha-Erlebnis.

Er entsann sich des chinesischen Trottels an der Dorfeinfahrt, der wegen seiner Ignoranz und seiner Herkunft Baby Schimmellos genannt wurde. Wenn der also keinen Schimmel mehr hatte, dann wusste der doch irgendwo anders sein 
und fände man ihn, könnte dem Kaiser geholfen werden. Unser Mann machte sich daher auf die Suche und nicht lange, da sah er im Unterholz des nahen Waldes ein kokettes Blinken.



Der verschimmelte Rappe



Das entpuppte sich zwar als bloßer Schimmer, doch würde Seiner Majestät die orthographische Petitesse nicht weiter auffallen, wenn man ihm das Ding von besagten Chinesen verkaufen ließe. Baby war gegen ein paar 
Groschen gerne bereit den Deal in die Wege zu leiten, nahm den Schimmer bei der Hand und erklärt dem Kaiser: „Was Euel Majestät hiel schimmeln sehen, ist mein bestes Pfeld. Nul dleihundelt Malk.“ 



Dem Kaiser gefiel das muntere Blinken, doch gelang es ihm nicht, es zu satteln, so dass Baby unvellichtetel Dinge wieder abziehen musste.



Endlich Begriff der Händler was hier falsch lief: Roße täuschen darf man eben nicht mit Roße vortäuschen verwechseln. Ein richtiges Pferd musste wohl doch her. Er rieb erneut am Pferdeapfel und dieses Mal kam sogar ein Wurm heraus. 
Der flüsterte dem Roßtäuscher ins Ohr: „ Mit ein bisschen Bindefarbe ist doch jeder Rappe im Handumdrehen zu entrappen und zu verschimmeln!“ Unser Mann, nicht faul, rief seine Anstreicher zusammen und befahl, einen unmäßigen 
fetten Rappen der nur faul auf der Weide umher- und herumlungert und den er eh schon seit langem loswerden trachtete, weiß umzuspritzen. Die dienstbaren Geister machten sich an die Arbeit und noch ehe der Tag zu Neige ging, 
hatten sie an dem Rappen kein schwarzes Haar mehr gelassen und ihn zu einem metallic schimmernden Schimmel gemacht.



Der Kaiser war hochzufrieden, fragte was er zu berappen habe, gab dem Roßtäuscher die geforderten fünfzehn Reichsäpfel und sprengte vom Hof, dass Fuchs und Hase einander erschrocken gute Nacht sagten.



Als die Sarazenen, Pferdekenner ohnegleichen, das christliche Heer und den Kaiser auf dem lackierten Roß heranreiten sahen, hatten Sie die Schlacht schon verloren, weil sie sich tot lachen mussten. Der Sieger sprach ein Dankgebet, 
der weiße Rappe ber lag plötzlich im konvosivischen Zuckungen am Boden und gebar zum Erstaunen der Umstehenden eine Färse. Und diese war außerdem gänzlich schwarz, so dass der Kaiser irritiert nach Gregor Mendel rief und 
ihn fragte: „Mein Schimmel hat ein Rappenfohlen mit Kuhkopf geboren. Wie kann das angehen, da ich doch von keinem Bullen weiß?“



Stiefzwilling eines Rindes



Nun hätte Mendel natürlich darauf verweisen können, dass auch neugeborene Menschenkinder von blonden Eltern meißt schwarzhaarig aus den Müttern kommen, doch als Mönch durfte er nicht lügen und sprach daher:“ 
Man hat Euer Majestät getäuscht. Der Schimmel ist künstlich geweist worden und vermutlich zudem Stiefzwilling eines Rindes.“

Da machte der Kaiser wie die berühmten Gebrüder und ergrimmte. Er zog mit Heer vor das Haus des Roßtäuschers und verlangte seine Kohle zurück.



Der arme Pferdeflüsterer erkannte, dass der Rappe gar nicht fett, sondern bloß schwanger gewesen war, und das Tier überdies eine Räppin war, die in einem unbeobachteten Moment mit einem Stier fremdgegangen sein musste. 
Er verfluchte das Mistvieh von einem Fohlen und wandte sich zur Flucht. Die fünfzehn Reichsäpfel kullerten dabei aus seinen Taschen, so dass sie der Kaiser nur noch aufsammeln musste. 

Seitdem nennt man wegen überhasteter Abreise entstandene Kosten Fluchsteuer oder auch Färsengeld.


Der Artikel wurde ca. 2008 in der Wochenendausgabe der SZ veröffentlicht. Da Friedemann Bedürftig seit 2010 verstorben ist, 
konnte mir die SZ keine Mitteilung über die Rechtsnachfolge hinsichtlich der Veröffentlichung des Textes machen. Der Zeichner Wolfgang Leder hat mir in einem Telefonat 
im März 2023 versichert, dass eine Publizierung auf der Website „Fitbleibenmitsegeln.de“ sicherlich im Sinne des Autors ist und hat mir auch die Veröffentlichung der Zeichnung erlaubt.


Im Buch „Die geheimen Künste der Roßtäuscher“ basierend auf den Papieren des israelitischen Pferdehändlers Abraham Wortgens von 1822 sind weitere Beispiele für den 
erfolgreichen Verkauf schwieriger Ware aufgelistet. 

Unsere Familie lebt ja mit diesem Namen schon seit Generationen. Mein Großvater Dr. Max Roßteuscher aus Schliersee hat den Namen in die Familie gebracht. Erzählt wird, 
er wurde von Alfred Roßteuscher adoptiert. Sein leiblicher Vater hat sich angeblich dezent im Hintergrund gehalten und dem schlauen Max ein Medizinstudium finanziert. 
Und schon hat man einen Nachnamen der einen schwierigen Klang hat.

Und obwohl wir uns konform zur Europäischen Union mit EU schreiben – auch um jeden Bezug zum „Täuschen“ zu vermeiden, verbleibt im Unterbewußtsein meiner 
Gesprächspartner manchmal eine gewisse Skepsis...

Was ist nun aber so amüsant an diesem Text?

Egal, ob es sich um Kaiser, Präsidenten oder Kanzler handelt – die Abläufe beim Verkauf in Kriegszeiten sind immer ähnlich. Da wird dem Freund auch mal ein Arsenal von 
NVA Waffen angedreht, die aus Kostengründen noch nicht verschrottet wurden. 
Jetzt warte ich drarauf, dass sich über dieses Geschäft wenigstens die beiden Kriegsparteien nach so einer „Schenkung“ tot lachen. 

Das wäre mir die liebste Variante für den Frieden.