Unverhofft passiert schon mal
Tornado Segeln mit einem Spitzensegler am Chiemsee
Am 24. Juni war ich bei einem Segel Event als Segellehrer am Chiemsee unterwegs. Es war ein toller Tag mit viel Sonne und noch bis in den späten Nachmittag Wind mit 2-4 Beaufort.
Wir sind von der Fraueninsel nach Bernau eine kleine Wettfahrt gesegelt – mit drei Dyas, Zugvögel und ich mit einer Crew aus Nichtseglern mit der 806 (kleine Yacht). Also die Zugvögel waren kurz nach der Fraueninsel hinter der 806. Die Dyas waren schnell unterwegs und wir sind etwa zwei Minuten nach der letzten Dyas über die Ziellinie. Die Sieger wurden nach Yardstick ermittelt (also die kleinen Boote erhalten eine Zeitgutschrift und die größeren – je nach möglicher Geschwindigkeit einen Zeitaufschlag zur gesegelten Zeit).
Foto: Sephan Kurus 806 der Segelschule Bernau am Chiemsee
Ich wurde dann als „Profisegler“ aus der Wertung genommen, was bei einem Firmen Event auch Sinn macht.
Supersportliches Segeln als Abschluss des Tages
Da ich gerne mit anderen Seglern spreche, kannte ich natürlich den Spitzensegler Thomas Weindl mit seiner Lebensgefährtin Birgit. Beide haben schon an Weltmeisterschaften mit ihrem Tornado (ehem. olympische Catamaran Klasse) teilgenommen und waren letzte Woche bei der Deutsche Meisterschaft im Tornado 2017 in Füssen. Beim Warten auf unser Begleitboot vom Segel Event im Hafen von Bernau kam deren Tornado gerade vom See herein. Ich habe natürlich den Slipwagen für den Tornado bereitgestellt und nachdem der Tornado an Land war, wurde ich von Thomas gefragt: „Magst noch einen Schlag mit segeln?“
Ein phantastisches Angebot. So was lass ich mir nicht mehr entgehen. „Ja, ich hole nur schnell meinen Trapezgurt“. Also ab zum Auto und die Segeltasche wird geholt.
Kaum war ich wieder zurück, machte der Thomas einen fast Rückzieher. Er meinte: „Ob ich mir das jetzt zutraue, mit Gennacker“?
Was soll man da erwidern? „Natürlich“, war meine Antwort und schon ging es los.
Trapezsegeln bei 3-4 Beaufort
Bei 3-4 Beaufort ging ich ins Trapez und musste die Großschot (Großsegel) und das Cunningham bedienen. Die Großschot habe ich belegt, das Cunnigham – also die Möglichkeit das Segel flacher zu ziehen um damit das Achterliek zu öffnen – in der Hand. Der Steuermann konzentriert sich auf das Steuern und bedient den Traveller. Mit dem Traveller lässt sich der Anströmwinkel vom Segel verändern und auch Druck abbauen.
Das Cunningham bei der Bö dichtholen?
Hierin liegt also der Unterschied zum A-Cat. Dort habe ich als Steuermann die Pinne in der Hand und bediene die Großschot bzw. Travellerschot. Diese beiden Schoten sind endlos miteinander verbunden. Für das Cunningham habe ich keine Hand mehr frei. Bei der ersten Bö kommt dann vom Steuermann Thomas das kurze Kommando „Anziehen“ und ich muss kurz das Cunningham durchsetzen und dann wieder „Fieren“, also das Cunningham wieder loslassen. Dieses Spiel habe ich schnell kapiert und es macht super Spaß, nur über das Cunningham die Böen abzufedern. Die Kenterung des Tornado wird also dadurch vermieden, dass das Segel flacher wird und sich das Achterliek öffnet und so Druck abgebaut wird.
Der Höhepunkt – Gennacker Segeln
Dann kommt der Höhepunkt. Wir wenden und Thomas erklärt mir kurz, wie der Gennacker zu bedienen ist. Ich fahre die Gennackerschot in der Hand und da sich nun der Segeldruckpunkt weit nach vorne verschiebt, besteht weniger die Gefahr der Kenterung; eher kann es zum „Stecker“ kommen. Das bedeutet dass sich der Lee- Schwimmer oder beide Schwimmer ins Wasser bohren, bis der Widerstand so groß wird, dass beide Schwimmer mit 180° nach unten ins Wasser rauschen und der Tornado also eine Vollbremsung macht – binnen Zehntelsekunden. Für die Crew bedeutet das ein Freiflug Ticket – wenn man aus dem Trapez noch raus kommt- sonst wirst am Trapez hängend auch noch um den Mast gewickelt.
Die Gefahr – der Stecker
Also muss ich als Vorschoter einmal den Längstrimm ausgleichen und nach Hinten wandern. Droht immer noch die Gefahr des Unterschneidens, muss ich die Gennackerschot fieren- aber nur ein wenig. Jetzt kommt die Physik ins Spiel: beim Cat-Segeln ist die eigene Geschwindigkeit des Bootes so groß, dass praktisch immer eine Strömung am Segel anliegt und so ein Sog entsteht (Tragflächenprinzip). Dieser Sog „saugt“ den Cat nach vorne. Wenn ich nun den Gennacker zu weit auffiere, reißt die Strömung ab und der Staudruck im Segel schiebt uns nach schräg vorne. Dann fährt man den gefürchteten Stecker – also einen quasi Überschlag.
Wir segeln Richtung Süden zum Rasthaus am Chiemsee und tatsächlich kommen Böen, die den Lee-Schwimmer vom Tornado immer weiter unter’s Wasser drücken. Ich fiere kurz die Gennackerschot und ziehe dann nach einigen Sekunden wieder dicht. Das ist sportliches Segeln: volle Konzentration auf die Balance; volle Konzentration auf andere Boote und im Trapez stehend mit beiden Händen und Armen arbeiten. Und der Tornado rauscht dahin. Das Wasser spritzt und das herrliche Gefühl des Rausches der Geschwindigkeit tritt ein.
Die Fahrt dauert nur knapp 45 Minuten, doch der Lerneffekt ist gewaltig. Es wurde mir alles bestätigt, was in den Fachbüchern so drin steht. So stell ich mir den perfekten Segeltag vor. Vielen Dank.
Hier weitere Eindrücke wie das Tornado Segel sein kann. Tornado Segeln