Die Windverhältnisse am Schliersee und Tegernsee

Schliersee ist ein Luftkurort. Das liegt auch an dem sogenannten Berg- und Talwind. Leider ist der Schliersee umrandet von Bergen und nur aus dem Nordwesten für den Wind relativ frei zugänglich. Daher schlängelt sich der Wind meist aus westlicher Richtung, dreht dann nach der Kirche St. Sixtus Richtung Süd und dreht wieder nach der Insel Wörth – dann Richtung Osten nach Neuhaus und weiter ins Aurachtal nach Bayrischzell. Nachts weht  oft ein schwacher Südwind. Obwohl der Wind relativ schwach weht, ist die Luft in Schliersee sauber und erfrischend.

Zeichnung vom Schliersee, blau die Windverhältnisse bei typischem Westwind

 

Fürs sportliche Segeln ist das eigentlich ein bisschen langweilig. In Oberbayern gibt es eigentlich nur zwei Seen mit einer ausgeprägten Thermik: den Walchensee und den Tegernsee.
Am Walchensee bin ich bisher nur gesurft und das ist über zwanzig Jahre her. Am Tegernsee liegt der FD (Flying Dutchman) meines Bruders. Da durfte ich schon manchmal mit segeln.
Besonders in der Früh ist dort bei Hochdruckwetterlage einfach immer Wind mit 3-5 Beaufort, also perfekt für den Frühsport.

Abflauender Bergwind am Tegernsee bei Gmund am 30.089.2017 um 08:50 h Foto: Johannes Rossteuscher

Was nun den Wind am Tegernsee so besonders macht, konnten mir zwei Profi Meteorologen erläutern:

Ich habe hierzu eine perfekte Erklärung erhalten von Dr. Übel  vom Deutschen Wetterdienst (DWD) :

Bei dem Windphänomen, das Sie beschreiben, handelt es sich um die klassische Berg-Talwind-Zirkulation.

Nachts kühlt sich die bodennahe Luft sowohl im Tal als auch an den Berghängen durch die nächtliche Ausstrahlung ab. Da kalte Luft eine höhere Dichte als warme Luft besitzt, in anderen Worten kalte Luft schwerer als warme Luft ist, sinkt sie entlang der Berghänge ins Tal (Hangabwind). In der Folge entsteht entlang der Talmitte der sogenannte Bergwind, ein Talabwind, welcher vom Taleingang zum Talausgang weht. So lässt sich der von Ihnen beobachte Südwind am Tegernsee erklären.

Tagsüber kehren sich die Verhältnisse um. Nachdem die Sonne aufgegangen ist, erwärmen sich die von der Sonne beschienenen Berghänge stärker als die Luft im Tal. Da die erwärmte Luft an den Hängen leichter ist als die darüber liegende Luft, erhält sie einen Auftrieb und steigt an den Hängen auf (Hangaufwind). Dadurch entsteht entlang der Berghänge ein Unterdruck, sodass Luft vom Tal nachströmt, um das Druckdefizit auszugleichen. Die aufsteigende Luft entlang der Hänge saugt quasi die Luft vom Tal an, sodass ein paar Stunden nach Sonnenaufgang im Laufe des Vormittags entlang der Talmitte ein Talaufwind entsteht, welchen man auch als Talwind bezeichnet. Eben dieser Talwind sorgt am Tegernsee für den von Ihnen beobachteten Nordwind.

Diese Berg-Talwind-Zirkulation bildet sich in den Gebirgen besonders in den Sommermonaten und typischerweise bei ruhigen und windschwachen Hochdruckwetterlagen aus, kann aber auch in den Wintermonaten beobachtet werden.

Nähere Informationen finden Sie auch im DWD-Wetterlexikon unter:

https://www.dwd.de/DE/service/lexikon/lexikon_node.html

oder unter

https://www.spektrum.de/lexikon/geographie/berg-und-talwind/853 (inklusive Abbildungen)

Tegernsee später Abend im Juli, manchmal setzt dann bereits Wind aus Süd ein Bild: Johannes Rossteuscher 2017

Eine zweite Erläuterung zum Thema habe ich von Karl Gutbrod von Meteoblue erhalten:

Das Phänomen, das Sie beschreiben, ist ein großräumiges Berg-Tal-Wind System, was nachts durch die Kaltluft der Alpentäler und -gipfel gespeist, und Tags durch die Konvektion in den Bergen umgekehrt wird. Die Kaltluftströme brauchen einige Stunden, um in Fahrt zu kommen, und verstärken sich im Laufe der Nacht (insbesondere in Strahlungsnächten), so dass die stärksten Süd-Winde in den 1-3 Stunden vor und nach Sonnenaufgang auftreten. 
Inzwischen erwärmen sich die Berggipfel (v.a. die Südwände) in der Morgensonne, und einige Stunden nach Sonnenaufgang beginnt dort die Steigbewegung von warmer Luft, die sich im Laufe des Tages verstärkt. 

Durch die Größe der Täler und die Höhe der Alpen ist das System relativ großräumig, und dementsprechend “träge”: der Kaltluftstrom braucht nach Sonnenaufgang einige Stunden, bis er sich einstellt und umgekehrt. Ähnliches ist aus dem Wallis (Schweiz) bekannt , die (im Tal) die ertragreichsten Windkraftanlagen stehen.

Die Wasserströmung vom Tegernsee hat keinen nennenswerten Einfluss auf diesen Prozess, dazu ist die Reibung zwischen Wasser- und Luftmassen viel zu gering.

Sie Können den Prozess selbst anhand der Diagramme auf unserer Webseite nachvollziehen: ich habe Ihnen drei davon beigefügt für August 2017 : sie zeigen, dass die Kaltluftströme in Strahlungsnächten (z.B. 22.-24.08.2017) noch auf der Halserpitze (südlich von Wildbad-Kreuth) zu beobachten sind, und erst im Umfeld vom Inntal (Rohanspitze) nachlassen bzw. eine andere Richtung einschlagen. Siehe dazu auch die Links

https://www.meteoblue.com/de/wetter/vorhersage/archive/tegernsee_deutschland_2823679?server=my.meteoblue.com&fcstlength=15&year=2017&month=8

https://www.meteoblue.com/de/wetter/vorhersage/archive/halserspitze_%c3%96sterreich_2776933?server=my.meteoblue.com&fcstlength=-15&year=2018&month=4

https://www.meteoblue.com/de/wetter/vorhersage/archive/rofanspitze_%c3%96sterreich_2767323?server=my.meteoblue.com&fcstlength=-15&year=2018&month=4

Ich hoffe dies hilft nun, diese besonderen Windverhältnisse besser zu verstehen.
Karl Gutbrod von Meteoblue

Ich möchte mich hier nochmals für diese Unterstützung bedanken.

Foto: Johannes Rossteuscher: FD liegt zum Start bereit am Tegernsee – in smaragdgrünen Trinkwasser schwimmend.

Ist der Tegernsee doch das bayerische Seglerparadies?