Der Chiemsee

Die Windverhältnisse am Bayerischen Meer
Also vom Wind her ist der Chiemsee eher mau. Es gibt keinen klassischen Berg- und Talwind wie am Tegernsee oder am Gardasee und im Sommer sind 2-3 Beaufort schon recht toll. Daher finden sich auf den meisten oberbayerischen Seen hoffnungslos übertakelte Segelboote (die Boote haben sehr viel Segelfläche – eben für Leichtwind) die dann auch bei wenig Wind gut laufen. Solche Boote finden sich zahlreich: Z-Jollen, 30er Schärenkreuzer, A-, B- und C-Cats, XL- Flyer, Hurricane, Phantom usw.

Das Revier
Der Chiemsee hat nun einige Besonderheiten, die diesen See so reizvoll machen – auch für Segler.
Von München ist der Chiemsee über die A8 in knapp einer Stunde zu erreichen. Bei der Anfahrt von München kommend über die Bergkuppe vor Bernau öffnet sich der Ausblick und ein wunderbar blau schimmernder See erstreckt sich bis zum Horizont.

Unten auf Seehöhe sind die Buchten bei Bernau/Felden und Feldwies perfekt zu erreichen.
Rasch ist man von dort auf dem See und kann ohne störende Passagierschiffe Richtung Fraueninsel und Weitsee segeln.

Foto: Petra Rossteuscher Fraueninsel im Sonnenglitzer

Die Fraueninsel
Die Fraueninsel lädt schon Mittags zum Essen, Nachmittags zum Kuchen und Abends zur Brotzeit ein. Dieses mittelalterliche Frauenkloster hat sich seinen besonderen Charme bewahrt. Und die besondere Magie des Chiemsees mit seiner unvergleichlichen Ruhe mag auch hier seinen Ursprung haben.

Die seglerische Herausforderung besteht hierbei, wann und ob man noch eine guten Anlegeplatz kriegt. So ab späten Mittag und Nachmittags muss dann oft in der 2.Reihe „geparkt“ werden. Das ist ohne Motor und ohne Anker schon anspruchsvoll. Durch den Windschatten der Insel sind hier zudem sehr spezielle Winde rund um die Stege. Daher legen die meisten Segler mit Motor an.
Das Glück der Insel liegt in seiner Ruhe und Gemütlichkeit

Wer einmal abends auf der Fraueninsel bei einem Weißbier oder Wein den Sonnenuntergang erlebt hat, wird die Insel lieben und solche Tage kaum mehr vergessen. Da schon tagsüber die Winde eher lau sind, ist Abends oft Flaute. Eine Stunde vor Sonnenuntergang darf man dann auf Segelschiffen den Motor anwerfen und zum Hafen zurück tuckern. Wer keinen Motor hat und bei Flaute zum Hafen zurück paddeln musste, kennt diese einmalig ambivalente Gefühl des Sommerabends mit friedvoller Ruhe, Stechmücken und Paddeln…

Die unendliche Weite – der Weitsee

Auf dem Weitsee – also östlich der Fraueninsel ist dann diese spezielle Weite zu spüren. Da kann man schon einmal eine halbe Stunde auf einem Bug segeln – also ohne Manöver. Dort gibt es auch keine Schwimmer und man muss im Sommer nur aufpassen, nicht von einem Gewitter aus dem Westen überrascht zu werden. Bei Sturm werden dort die Wellen über 1 ½ Meter hoch – daher mag auch der Begriff „Bayerisches Meer“ kommen.

Foto: Petra Rossteuscher Der Weitsee

Der Kanal
Nautisch anspruchsvoll ist es dagegen im „Kanal“. Ähnlich wie im Ärmelkanal herrscht dort reger Betrieb – vor allem wegen der Passagierschiffe. Hier an der Engstelle zwischen Breitbrunner Bucht, Urfahrner Landzungen, und Herreninsel kulminiert der Verkehr. Die Passagierschiffen machen um den nördlichen Zipfel der Herreninsel eine knapp 180° Drehung und man hat als Segler das Gefühl, das Schiff verfolgt einen. Das Passagierschiff fährt also zunächst in eine ganz andere Richtung und dreht dann und dreht dann. Wer diese Routen nicht kennt, befindet sich fast immer in der Fahrrinne und wird angehupt.

Foto: Petra Rossteuscher Blick Richtung „Kanal“ am Chiemsee bei Sonnenuntergang

Durch die Enge herrscht verdichteter Verkehr, zudem schrahlt (dreht) dort der Wind gerne und es wimmelt im Sommer von Elektro-, Ruder-, Segelbooten, Stand-up Padlern, Schwimmern und eben den Schiffen der Fessler Flotte. Da man in Bayern keinen Segelschein braucht, kennen auch nicht alle Bootsführer die Vorfahrtsregeln. Das ist daher ein richtig anspruchsvolles Gebiet.

Drehende Winde

Durch die Geländeformen und die Inseln wechselt der Wind zudem oft die Richtung. Für‘s Segeln schulen diese Windverhältnisse das Auge und Gespür und macht eben diesen besonderen Reiz des Chiemsees aus.

Vielleicht liegt es auch daran, dass bei Leichtwind und drehenden Winden bei Regatten die bayerischen Segler weit vorn platziert sind. Sich von drehenden und wechselnden Wind nicht aus der Ruhe bringen zu lassen, stärkt auf jeden Fall die Mentalität und Gelassenheit.

Ein weitere Besonderheit ist im Frühjahr, wenn die Wassertemperatur noch sehr kalt ist. Dann liegt die kalte Luft bleiern über dem See und ab sechs Meter über der Oberfläche weht ein lauer Wind. Wer keinen hohen Masten hat steht und muss paddeln. Wer dagegen einen hohen Masten hat, fährt wie von Geisterhand gezogen durchs spiegelglatte Wasser.

Die Chiemseemeisterschaft

Foto: Andreas Rossteuscher Chiemseemeisterschaft kurz vor dem Start zum Blauen Band 2018

Die jährlich stattfindende Chiemseemeisterschaft mit sieben Terminen und meist über 100 Teilnehmern.
http://www.chiemsee-meisterschaft.de/index.php/de/

Ich konnte einmal beim Weitsee-Rennerts mitfahren. Auf einem B-Cat. Leider war so wenig Wind, dass ein Einrumpfboot als erster durchs Ziel ging.
Das seglerische Niveau ist durchaus mit einer nationalen Meisterschaft zu vergleichen. Und meist gewinnen die alten Hasen, weil sie das Revier kennen und sich einfach keine Fehler erlauben.