Wegerecht beim Segeln

Auf hoher See gelten bei Schiffen relativ einfache Regeln: das größere Schiff hat Vorfahrt. Auch wenn es spezielle Regeln , wie die Kollisionsverhütungsregeln (KVR) gibt. Das größere Schiff hat einfach mehr Impuls und ist schwieriger zu Stoppen. Im Fall des Schiffsunglücks vor Korsika lag das größere Schiff vor Anker und der Rudergänger des tunesischen Frachters hat nicht aufgepasst oder vielleicht geschlafen?
Man kann sich leicht vorstellen, was passiert, wenn ich mit einer Segelyacht aus GFK – also Kunststoff – ein Containerschiff übersehe? Das Containerschiff wird mich nicht einmal bemerken.

Bei einem Gespräch mit dem Rudergänger einer Personenfähre zwischen Helsinki und Stockholm merkte dieser nur trocken an: „Wenn das Segelboot einen Radarreflektor hat, kann es sein, dass ich es nachts sehe … Ob ich noch ausweichen kann, ist eine andere Sache.“

Auf dem Chiemsee ist das natürlich ganz anders. Prinzipiell darf jeder ein Segelschiff steuern -auch ohne Segelschein und nautische Kenntnisse. Mit der Vorfahrt wird daher eher großzügig geregelt. Man weicht halt aus.

Im Sommer 2018 war es ja oft sehr heiß und viele der Skipper haben die Kraft der Sonne unterschätzt. Meist ist schon nach wenigen Stunden am Chiemsee ein kleiner Sonnenstich bei den Seglern zu bemerken. Nach drei Stunden Segelunterricht kommt es dann zum Teil zu sehr amüsanten Situationen: der Rudergänger hat den leichten Sonnenstich, hat zu wenig getrunken und kann sich z. B. das Anlegemanöver einfach nicht mehr richtig merken…

Noch amüsanter sind natürlich internationale Zusammentreffen. Unsere österreichischen Freunde segeln ja auch gerne am Chiemsee und da passierte 2018 diese wunderbare Beispiel:
Wetter Wolkenlos, Lufttemperatur über 35°C, Wind mit 2 Beaufort aus Ost:
Wir fuhren mit Wegerecht – also Wind von Steuerbord – in Richtung Fraueninsel. Unser Boot hatte Vor- und Großsegel auf Backbord und wir waren an den Untiefen der Herreninsel bereits vorbei und kurz vor seichtem Gewässer der Krautinsel.

Vom Weitsee kam eine kleine Yacht mit achterlichem Wind von Backbord (Vorsegel Backbord, Großsegel Steuerbord und das zählt) – auch Richtung Fraueninsel. Wir waren also auf Kollisionskurs.
Hier die Gegebenheiten: Wind aus Ost, unser Kurs halber Wind Richtung Nord, Kurs des 2. Schiffes West Richtung Herreninsel


Skizze: Andreas Rossteuscher

Der Österreicher muss also ausweichen. Also müssen wir uns bemerkbar machen, denn der Skipper aus unserem Nachbarland schien ein wenig zu dösen. Ganz korrekt ist es bzgl. der Ausweichregeln, wenn man auf das Deck klopft und dann um „Raum“ bittet. Das ist die Aufforderung an den anderen Segler „Platz zu machen“.

Gesagt und auch getan. Wir hatten zusätzlich bei unserem Kurs auf Lee noch eine Untiefe (niedriger Wasserstand) und konnten also gar nicht so einfach ausweichen. Der Österreicher erwachte aus seinem Mittagsschlaf, stand auf, sah die Situation und hat reagiert: Das „Manöver des vorletzten Augenblicks“. Er legte hart Ruder, wich nach Steuerbord aus und machte bei seinem Kurs mit achterlichem Wind eine Patenthalse. Der Baum schlug also ungebremst auf die andere Seite und touchierte leicht den Kopf des Skippers.

Mit tat der Österreicher richtig leid, denn anschließend fuhr er in Schlangenlinien weiter.

Dabei sind die Vorfahrtsregeln unter Seglern eigentlich einfach:

Wind von Steuerbord vor Wind von Backbord – also wenn ich auf meinem Schiff Wind von Backbord habe, muss ich ausweichen.
Unser Beispiel: Wind aus Westen: Schiff B muss ausweichen
> Lee vor Luv, also dass vom Windschatten kommende und höher am Wind fahrende Schiff hat Vorfahrt.
Unser Beispiel: Wind aus Westen: Schiff A muss ausweichen

> die überholende Yacht macht sich frei egal ob Segelboot untereinander oder Motorboot – also wer schneller ist, muss ausweichen.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Mehr Informationen finden sich unter:
https://de.wikipedia.org/wiki/Ausweichregeln_zwischen_Wasserfahrzeugen#Begegnungen_von_Segelfahrzeugen