Die Aerodynamik des Segelns

Die Aerodynamik:
Der Vogelflug hat schon immer Menschen fasziniert. Wie von Schnüren gehalten und gezogen, können Vögel mit großen Spannweiten immer weiter in die Lüfte schweben. Ganz ohne das Schlagen der Flügel. Wie kann das sein? Hebt der Wind die Vögel? Dann müsste der Wind ja von unten kommen?

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Foto: Pixabay by vasile_pralea Adler im Gleitflug

Auch hier finden sich zwei Effekte. Einmal kommt tatsächlich der Wind von unten – die sogenannte Thermik . Und dann noch der Effekt, dass die Flügel des Vogels vom Fahrtwind umströmt werden. Erstaunlich ist, dass bei fast allen Vögeln die gut gleiten, die Flügel vorne gekrümmt sind. Die Flügel haben also ein Profil und durch Unterdruckeffekte am vorderen Teil des Flügels saugen sich die Vögel nach oben. Hundertausende Jahre der Evolution haben gezeigt, dass dieser Effekt verstärkt wird, wenn sich das Flügelprofil verändern lässt.

Heute kennt man aus den physikalischen Gesetzen der Aerodynamik, dass unterschiedlich gekrümmte Profile auch unterschiedlich starken Auftrieb erzeugen. Störche haben eine enorme Spannweite und können perfekt gleiten. Allerdings wird durch die größeren Spannweiten auch der induzierte Luftwiederstand erheblich größer. Um von Europa nach Afrika zu Fliegen, nutzen Störche die Thermik aus und schrauben sich an den geeigneten Stellen zuerst hoch in die Lüfte, um dann zum neuen Ziel des Tages zu segeln.

Und Raubvögel müssen ja quasi auch noch lautlos fliegen. Auch können sie über mehrere hundert Meter exakt parallel zum Erdboden segeln. Wenn man die Chance hat, dies genau zu beobachten, wird man sehen, dass der Vogel dabei die Anströmkante (Vorderseite des Flügels) immer stärker krümmt. Er passt also sein Profil der Flügel der Geschwindigkeit an und hält so sein exaktes aerodynamisches Gleichgewicht.

Kurz vor der Landung werden dann die Flügel nach unten gedreht, der Anstellwinkel wird zu steil, die Strömung reißt ab und durch den Staudruck hebt sich der Vogel kurz und „plumpst“ dann auf sein Ziel.

Interessant ist hierbei auch ein Ausflug zu Flugzeugen. In den dreißiger Jahren des letzten Jahrhunderts wurde in Kassel der Fieseler Storch entwickelt. Dieses Flugzeug hat bewegliche Vorflügel mit denen das Profil des Flügels verändert werden kann. Die Starteigenschaften sind legendär: 45 Meter reichen zum Starten, 18 Meter zum Landen. Bei entsprechendem Gegenwind konnte der Fieseler Storch sogar rückwärts fliegen.

Sieh hierzu das folgende Video:
Fieseler Storch ein Flugzeug mit phantastischen Flugeigenschaften

Beim Segeln geht es daher um zwei ganz unterschiedliche Kräfte: den Staudruck, der über den Lateralplan (also der Fläche die eine seitlichen Abdrift verhindert) in Bewegung umgewandelt wird. Und den Sogkräften die sich auf Grund von unterschiedlichen Drücken an der Ober- und Unterseite des Segels einstellen. Mit diesen Sogkräften, die in Summe fast gegen die Windrichtung wirken können, ist dann das Segeln „quasi“ gegen den Wind möglich.

Heute erreiche moderne Schiffe einen Winkel von 35-45° zur Windrichtung. Sie können also einen Zick-Zack Kurs gegen den Wind fahren. Nur ist das Segel in der Praxis kein perfekter Flügel und eh man sich versieht, reißt die Strömung ab. Der Wind liegt also nicht mehr am Segel an, sondern bildet einen Wirbel, der immer weiter nach vorne wandert.

Foto DNA mit Genehmigung Class A
Arco, 1 giugno 2017
© Zerogradinord
http://dnaperformancesailing.com/our-boats/dna-f1-a-cat/#1455809505564-5a2ae727-c3f490f5-6587

 

Siehe auch das folgende Video:
A-Cat Segeln in Schweden mit Marstrom Cat

Auch gibt es zwei Beobachtungen, die dem gesunden Menschenverstand völlig absurd erscheinen.
Beim Anfahren, also wenn der Wind erstmals am Segel vorbei strömt (nach einer Wende) bildet sich hinter dem Segel – am Ende vom Schiff ein Wirbel. Da man diesen nicht wahrnimmt und auch nicht sieht – hinter dem Segel hat man keine Windanzeiger die so eine Verwirbelung zeigen würden – erscheint dies zunächst als Spekulation.

Seite 100 Bild zur Entstehung des Anfahrwirbels

Doch auf Grund der Gesetze der Energieerhaltung scheint dies möglich zu sein. Warum? Moderne Messungen zeigen, dass auf der Leeseite das Segel nach hinten umströmt wird. Auf der Luvseite findet sich zur Strömung nach hinten auch eine Strömung nach vorne. Insgesamt bildet sich also ein Wirbel um das Segel aus. Und der Heckwirbel am Endes des Schiffs ist also sein Gegenspieler um den Energiererhaltungssatz zu gehorchen.

Angeblich bildet sich dieser Wirbel immer wieder bei jeder Kursänderung oder beim Trimm des Segels aus. Und dieser Wirbel bremst also ganz unsichtbar.

Da beim Segeln noch weitere Parameter eine Rolle spielen, wie ungleichmäßiger Wind über die Höhe, die Rauigkeit des Segels, Winddrehungen, die eigene Schiffsgeschwindigkeit, der Gewichtstrimm usw. empfehlen gute Segler immer praktische Experimente.

Wenn es sich machen lässt, sollen als gleiche Bootsklassen mit gleich schweren Crews parallel miteinander segeln und dann Trimmen. Und dann wird beobachtet und notiert, wann das Boot mit welcher Trimmänderung schneller wird. Die Praxis des Miteinander Segelns ist hier unschlagbar, weil sich sofort Ergebnisse zeigen und das Verständnis fördern. Die Theorie dagegen ist sehr komplex und solche Simulationen sind aufwendig und können sehr teuer werden.

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2 A-Cats auf dem Schliersee. Der hintere Cat (älteres Baujahr) holt trotz 15 kg mehr Gewicht des Steuermanns auf, da dieser weiter vorne sitzt.

Foto: Petra Rossteuscher

Um sein eigenes seglerisches Können gut einschätzen zu können, gibt es noch eine interessante Möglichkeit: an einem Club am Chiemsee werden interne Wettfahrten durchgeführt und dann die Schiffe getauscht. Also der Erste fährt später mit dem Schiff des Letzten der ersten Wettfahrt. So kann man sehen, ob es am Schiff, am Segeltrimm oder am seglerischen Können liegt. Eine tolle Idee finde ich.

Nun noch ein kurzer Abriss zur Aerodynamik zu den drei spektakulärsten Entwicklungen:

> Der profilierte und drehbare Mast. Mit so einem Mast lässt sich durch die veränderbare Anströmkante die Wölbung  des Segels (Profil und Profiltiefe) anpassen.

> Der Schnitt von modernen Segeln: z.B. beim Catmaransegel die Verwendung von durchgelatteten Segeln und von asymetrisch geschnitten Vorsegeln (ZERO oder auch Gennaker), die superflach getrimmt werden können, um den induzierten Widerstand zu verringern.

Der Einsatz von Segeln, die wie Flügel geformt sind – also 3-dimensionale Segelflügel – um die aerodynamischen Kräfte noch besser ausnutzen zu können.

 

Bei den Regatten des Amerika Cup sind all diese Techniken im Einsatz. Wenn man dann die vielen Manöver sieht, die Kenterungen bis hin zum Überschlag – kann man die Herausforderungen dieses Sports erahnen. Das Segeln wird auch weiterhin eine Kunst bleiben. Es sind so viele Parameter zu beachten, der Wind dreht ständig und durch die Eigenbewegung des Segelschiffs müssen Wellen, Strömungen, Krängung und Kursänderungen auf Grund vom Wegerecht (Ausweichregeln) beachtet werden. Bei wichtigen Regatten mit mehreren Seglern an Bord ist es üblich, dass ein Experte sich nur um das Wegerecht kümmert.

Ich werde auch weiterhin viel Fachliteratur lesen und dann meine eigenen Beobachtungen verfeinern. Mal schau’n, ob ich im Winter 2015 die richtige Literatur gelesen habe.
Jetzt steht die nächste Literaturrunde im Winter 2016/2017 an.
Jetzt steht die nächste Runde an.
Hier noch ein Ausblick auf die faszinierende Aerodynamik des Gleitschirmfliegens

Foto: Jo Riedle freigegeben für „Fitbleibenmitsegeln.de“