Die Chiemseemeisterschaft

Die Chiemseemeisterschaft ist weder der America‘s Cup und auch nicht das Ocean Race (Vendee Globe). Aber auf dem Bayerischen Meer bietet sie eine tolle Regattaserie mit beeindruckenden Feldern.

Und nicht nur die Felder. Die Kulisse ist ebenso beeindruckend: vor der Kampenwand zwischen Frauen- und Krautinsel durchzusegeln, vor einem Boote mit bunten Spinnakern, so wenige wie möglich natürlich – ein Anblick, der einem die Freude und acuh die Tränen in die Augen treiben kann. Und diese Bilder wurden ganz nebenbei schon ein paar hundert Mal für Segelkalender oder Bildbände festgehalten.

Aber zurück zur Meisterschaft. Insgesamt werden sieben Langstreckenregatten gesegelt. Mit so herrlichen Namen wie Hafen Trophy, Weitsee Rennerts oder Drei-Buchten-Törn.

Beim Start braucht man  Glück
Am Start sind ma  nchmal bis zu hundert Boote. So etwas kommt bei Klassenregatten heutzutage praktisch nicht mehr vor. Und auch bei Yardstick-Regatten, also Rennen, bei denen verschiedene Bootsklassen gegeneinander segeln, sind solche Riesenfelder extrem selten.

Bild kurz nach dem Start: jeder SUP war deutlich schneller

Man muss natürlich einräumen, Yardstickregatten sind nicht die Königsklasse des Segelns. Man könnte vielleicht sagen: die Liebhaberklasse. Hier kann eine Holzyacht Baujahr 1920 gegen einen modernen Hochleistungskatamaran segeln. Ein extrem kippeliges Skiff mit drei nervösen Athleten in Neoprenanzügen startet unmittelbar neben einem eher behäbigen Dickschiff, auf dem die Crew in kurzen Hosen oder sogar im Ölzeug sitzt, vielleicht gerade Weißwürste gefrühstückt hat oder noch das Weißbier austrinkt.

Die Yardstickwertung

Damit die sehr schnellen gegen die mittleren bis sehr langsamen Boote überhaupt segeln können, gibt es einen Verrechnungsfaktor: die Yardstickzahl. Dieser Faktor liegt zwischen 70 für einen hypermodernen C-Katamaran und 130 für die wunderschöne, aber völlig altmodische Chiemseeplätte, die es, wie der Name schon sagt, nur am Chiemsee gibt und irgendwas zwischen Ruder-, Fischer- und Segelboot verkörpert. Die bekannte Kinderklasse, der Optimist hat sogar eine Yardstickzahl von 178. Aber Optimisten segeln normalerweise bei solchen Regatten nicht mit, weil sie erst Stunden nach dem Feld ins Ziel kämen.

Mein A-Katamaran hat niedrige 80. Ich muss also ziemlich früh im Ziel sein, damit ich nach berechneter Zeit nicht hoffnungslos hinten liege.

Obwohl der Faktor immer wieder angepasst wird, obwohl er für einzelne Reviere wie den Chiemsee oder Starnberger See sogar unterschiedlich berechnet wird – ganz gerecht ist er nie. Aber das weiß jeder Segler, das nimmt im besten Fall sogar ein wenig Ernst aus dem Wettbewerb.

Jedes Schiff zieht das große Vorsegel – weil viel Fläche einfach zieht.

Denn wenn hundert Segelboote gleichzeitig über die Startlinie wollen, jeder Steuermann und jede Steuerfrau auch noch auf der besten Position – kann es schon mal ruppig zugehen auf dem Wasser.

Die Taktik am Start

Für mich ist der Start immer eine kitzlige Angelegenheit. Ohne Vorsegel habe ich an der Linie einen gewissen Nachteil, vor allem gegenüber den größeren Katamaren. Außerdem haben größere Boote normalerweise auch größere Crews. Das heißt, mehr Segler können die Linie beobachten und dem Steuermann gegebenfalls noch schnell sagen – oder ihn anschreien – dass er jetzt dringend anluven muss, damit er nicht ins Nachbarboot reinfährt. Das muss ich alles alleine bewerkstelligen und entscheiden. Dafür muss ich meine Taktik mit niemandem absprechen – und kann auch mit niemandem streiten. Das spart bisweilen Nerven.

Chiemsee Rund

Bei der allerersten Regatta der Chiemseemeisterschaft 2022, der „Chiemsee Rund“, veranstaltet vom Yacht-Club Urfahrn war praktisch Flaute. Ich musste zum Start hinpaddeln, was allein auf einem Cat gar nicht so einfach ist. Mit zwei Händen paddeln, mit den Zehen steuern und ja nicht ins Wasser fallen.

Immerhin: mein Start klappte ganz gut .Trotzdem ist es mir nicht wirklich gelungen, aus der Abdeckung der großen Yachten und der Katamarane mit den großen Vorsegeln rauszukommen. Bei sehr wenig Wind kann es sogar passieren, dass ein A-Kat wie meiner von den Segeln einer großen Einrumpfyacht – die eigentlich viel langsamer ist – abgedeckt wird, und so hinter sie zurück fällt.

Segeln und der freie Wind

Kurzer Exkurs: beim Segeln ist es extrem wichtig, freien Wind zu haben. Vor allem, wenn es kaum bläst. Wird man am Start bereits von Booten abgedeckt, die vor einem liegen oder größere Segel haben, kann man sich selbst dabei zuschauen, wie man zurückfällt. Das einzige, was hilft: sich radikal frei segeln, also weg von den anderen Booten. Aber auch das ist gar nicht so einfach, wenn man mal im Windschatten der anderen liegt. und das probieren alle Boote.

Irgendwie bin ich trotzdem vorwärts gekommen und war nach drei Stunden an der zweiten von vier Tonnen. Da waren die ersten Katamarane bereits im Ziel …

Der Wind bläst leicht, die Sonne brennt ohne Pause herunter –bei solchen Verhältnissen liegt der A-Cat-Segler dann auf einem der beiden Rümpfe. So ruhig und so weit vorne wie möglich, damit sich das Heck nicht im Wasser festsaugt. Da kann Regattasegeln dann wahlweise zu einer sehr warmen oder auch sehr meditativen Angelegenheit werden.


Andreas Rossteuscher mit A-Cat GER 431 „Campari Soda“.
Hier kurz vor dem Ziel: ich liege zu weit hinten und das Heck bildet störende Wellen

Und trotzdem gilt es, zwischen Schwitzen und Meditieren, ständig den See zu beobachten. Kommt doch noch irgendwo mehr Wind? Bilden sich Wolken? Was machen die Anderen? Wo ist die nächste Tonne? Am Chiemsee ist die Höhe der Erdkrümmung – über die Länge des Sees gerechnet – bei knapp einem Meter und ich liege 30 cm über dem Wasser. Die Tonne ist gut einen Meter hoch, aber von meinem Blickwinkel am Horizont kaum zu erkennen. Da ist es dann wieder gut, wenn man Boote vor einem hat, an denen man sich orientieren kann. Kein Witz: Booten, die ganz alleine in Führung liegen, passiert es gar nicht so selten, dass sie die falsche Tonne ansteuern. Den Streit unter den Crewmitgliedern gibt es dann kostenfrei dazu.

Aber wir waren ja noch immer bei der Chiemseerund. Nach der zweiten Tonne und ungefähr soundsoviel Stunden langsamem Dahintuckern ist dann endlich ein wenig Wind aufgekommen und ich bin einige hundert Meter regelrecht gesegelt. Kurz vor dem Ziel kam dann sogar noch – wie aus dem Nichts – eine Bö und ich wäre (auf der Leeseite liegend) fast gekentert!

Im Ziel und doch nicht gewertet

Immerhin bin dann als Zehnter über die Ziellinie getrieben – nach gefühlt einem Tag segeln.
Weil alle Boote hinter mir derart einparkten, dass sie die Ziellinie erst nach der doppelten Zeit des ersten Bootes passierten, wurden sie aus der Wertung genommen. So lauten die Regeln bei der Chiemseemeisterschaft.

Ich bin dann mit leichtem Sonnenstich nach Hause gesegelt und war ziehmlich bedient.
Später wurde diese Regatta aus der Wertung genommen, weil zuwenig Boote innerhalb der zulässigen Zeit im Ziel waren.

Fazit zur Saison 2022:
2022 war ein schwierige Saison für mich: Ich bin 3 x gekentert (1 x weil ich durchgefroren war und zweimal wegen eines Materialfehlers). Ich habe viel dazu gelernt. Mein bestes Ergebnis war dann der 2. Platz bei den Cats beim 3-Buchten Törn.

Zu meiner Überraschung bin ich bei den Mehrrumpfbooten in der Gesamatwertung an vierter Stelle gelandet und habe also einige der aufgetunten Cats überholen können.
In der Gesamtwertung aller Teilnehmer bin ich auf Platz 28 von 176 gestarteten Seglern gelandet. Auch das ist ganz ordentlich, stellt mich aber nicht wirklich zufrieden.

Ausblick für die Saison 2024:
Ich bin immer noch in der Entscheidungsfindung meinen A-Cat aufzurüsten (mit Carbon Mast, Bugspriet, Code Zero Segel) oder mir einen modernen Cat zu kaufen?
Da ich mich ja parallel selbständig mache mit Ingwer Likör und Fitnessprodukten für die Beweglichkeit wird so manche Investition halt geschoben.

Der Saisonstart mit dem Segeln vor der Fraueninsel, ist auf alle Fälle gut gelungen.
Siehe Text: Glück beim Segeln.